sagarbha-sukshma-pranayama des pranamaya-kosha
von Swami Veda Bharati (Saas Fe, 1999)
Solange Geist und Körper nicht vollständig entspannt sind, kann man das Gewahrsein seines physischen Körpers nicht hinter sich lassen. Er bleibt im Bewusstsein gegenwärtig, das Bewusstsein kann nicht wirklich in die feineren Ebenen überführt werden. Die Ruhelosigkeit der aktiven Sinne (karmendriyas) und die mentale Verwicklung der rezeptiven Sinne (jnanendriyas) kann ohne völlige Entspannung des Körpers nicht gelöst oder befriedet werden. Ohne diese völlige Entspannung der Sinne kann die Ausgeglichenheit des Atems nicht erreicht werden. Und ohne Ausgeglichenheit des Atems kann man sein Gewahrsein nicht in pranamaya-kosha (die subtile 'Hülle der pranas') überführen.
Daher sind die nötigen Schritte:
- völlige Entspannung des Körpers -
- gleichmäßiges Fließen des Atems -
- der Atem wird sagarbha (schwanger, mit Keim) - d.h. er wird mit einem mantra verbunden -
denn nirgarbha-pranayama - Atemgewahrsein ohne mantra - führt nicht in die Tiefe.
Kontraktion und Ausdehnung
Ayama bedeutet sowohl Kontraktion wie Ausdehnung. Ausdehnung bedeutet die Ausdehnung der Länge des Atems, aber auch die Ausdehnung der prana-Vitalität in alle Bereiche des Körpers; damit verbunden findet auch die Ausdehnung des Geistes statt. Kontraktion ist ebenfalls in zweierlei Sinn zu begreifen: den Atem sehr fein gestalten - und kevala-kumbhaka verwirklichen, und dies kann nicht durch Bemühung erreicht werden. Kevala ist ein spontanes Geschehen, ohne hinführende Übungen.
Ayama beinhaltet also diese vier Aspekte - zwei der Ausdehnung und zwei der Kontraktion.
Hat man Folgendes erreicht:
- die Ausgeglichenheit des Atems - durch die Zwerchfellatmung -
- Feinheit und kevala durch Beobachtung -
- und wenn Ausatmung und Einatmung in Länge und Stärke gleich sind -
dann benutzt man die Atembewusstheit als Brücke, um in den pranamaya-kosha einzutreten.
pratyahara
In den einfachen pranamaya-kosha-Übungen wird die Aufmerksamkeit zusammen mit dem Atem zwischen zwei Punkten des Körpers bewegt. Diese Atemsystematik wird auch als pratyahara bezeichnet, doch das ist nicht allgemein bekannt. Prana wird von einem zu einem anderen Punkt bewegt, und damit verbunden bewegt sich der Geist von einem zum anderen Punkt. Auf diese Weise wird der Geist von den Sinnen zurückgezogen - und die Kräfte der Sinne verschmelzen mit der so bewirkten Stille des Geistes.
Hier kommen wir zu den Yoga-sutras:
pratyahara ist nicht nur das Resultat, wie es die Yoga-sutras beschreiben. Pratyahara ist dieser gesamte Prozess. In unserem Übungs-System wird dieser Prozess als sukshma-pranayama bezeichnet - subtiles pranayama.
Um Zugang zu pranamaya-kosha zu finden, und um zu lernen, prana und Geist von Punkt zu Punkt zu führen, ist für Anfänger die Anwendung des Atems notwendig. Für einen fortgeschrittenen Yogin bewegt sich nur der prana, das Vehikel des physischen Atems wird vergessen.
In sukshma-pranayama - als eine Form von pratyahara - werden prana und Geist bewegt von Punkt zu Punkt. Und wenn prana und Geist an einem dieser Punkte gehalten werden, wird das (hier) kumbhaka (Anhalten) genannt. Durch dieses kumbhaka des sukshma-pranayama wird kevala-kumbhaka des physiologischen Atems spontan auftreten.
Konzentration - dharana
Es gibt einen sehr subtilen und wichtigen Punkt, um die Geheimnisse des pranayama zu verstehen:
nur wenn wir pratyahara auf diese Weise erreicht haben, indem durch die Ruhe des Geistes die Sinne still werden und in den Geist aufgelöst sind, nur dann kann die Praxis der Konzentration, dharana, beginnen.
Wer versucht, dharana zu praktizieren, ohne durch diese subtilen Prozesse zu gehen, kann mit seiner Konzentration nicht wirklich weit kommen. Für diesen Pfad des Rückzugs der Sinne übt man das Führen der pranas von einem Punkt zum nächsten - und ihre Auflösung in den Geist - in einem sagarbha-, d.h. mit einem mantra verbundenen Prozess.